Rabbinat Nachrichten
Ein frisches neues Jahr, geschmückt mit Schlamm
Das neue Jahr beginnt, und für uns bricht der hebräische Monat Tevet an. Einerseits drängt uns der weltliche Kalender, mit frischer Energie zu starten, andererseits erdet uns der hebräische Kalender mit der Ankunft des Monats Tevet im „Schlamm“.
Die Namen aller Monate im hebräischen Kalender stammen aus dem Akkadischen, und der Monat Tevet wurde in dieser alten Sprache Tebitu genannt – ein Wort, das Versinken beschreibt, inspiriert von den schweren Regenfällen und dem tiefen Schlamm, die diese Jahreszeit prägen. Für mich ist Tevet ein schlammiger Monat. Während die Welt ihre Uhren zurücksetzt und sich ein sauberes Blatt vorstellt, setzt der hebräische Kalender seine schlammverschmierten Sohlen auf diese leere Seite und erinnert uns an unseren persönlichen „Schlamm“, an den Schlamm der Erinnerung und den Schlamm der Geschichte – die herausfordernden Elemente, durch die wir unseren Weg gehen und neue Pfade schaffen.
Am 10. Tevet begehen wir Yom HaKaddisch HaKlali – den allgemeinen Kaddisch-Tag – ein Gedenktag für alle Jüdinnen und Juden, die im Holocaust ums Leben kamen, deren Todesdaten unbekannt sind und für die niemand mehr übrig ist, um das Kaddisch zu sprechen. Dieser Tag und seine Geschichte sind für mich ein Teil des „Schlamms“, in den wir jedes Jahr treten müssen – eine Erinnerung daran, sich ihm zu stellen, ihn zu durchschreiten und sich mit ihm auseinanderzusetzen, ebenso wie mit anderen schmerzhaften Kapiteln der Geschichte. Es liegt an uns, weder sein Gewicht zu ignorieren noch in seinen Tiefen zu versinken.
Ich wünsche uns allen ein frisches und lebendiges neues Jahr, geschmückt mit Schlamm – als Erinnerung daran, woher wir kommen, wo wir stehen und wohin wir gehen wollen.